Wenn ich einen Reiseführer über Deutschland schreiben würde, dann würde ich mich nicht lange mit Neuschwanstein, dem Münchner Hofbräuhaus und mit all zu bekannten Touristen-Attraktionen aufhalten. Es wären ganz andere Dinge, die ich heute als typisch deutsch und als besonders interessant bezeichnen würde. Dinge, die es wo anderes nicht gibt, oder zumindest nicht so extrem, wie z.B. die FKK-Kultur inzwischen als Standard wie in Bad Wörishofen. Samstagsnacht ist dort nämlich nicht der Teufel, aber Ungewöhnliches los.
Ich saß vor kurzem in so einer “textilfreien” Samstagnacht in einer großen Blockhaus-Sauna, gebaut aus riesigen Stämmen und Holzblöcken, mit einem großen Kaminfeuer hinter Glas. Erst war ich noch fast allein, dann strömten es nur so herein. Schließlich saßen wir wie Sardinen eng nebeneinander, mehrere hundert Leute. Was war los?
2 Bademeister, erkennbar, weil sie bekleidet waren, schleppten große Wassereimer und Eiskübel, Wasserkellen und 2 große Fahnen herein. Einer der beiden erklärte munter: 2 Runden Aufguß, Limone-Ingwer, mit Eis und Fahnen-Wirbeln. Und bitte, wer mit zu starker Hitze Schwierigkeiten bekommt, soll sich besser vorher rausbewegen. Ermahnend fügte er noch hinzu: Bitte kein Stau beim Ausgang!
Die harte, schweißtreibende Arbeit der Bademeister konnte beginnen, während ich ein bisschen ängstlich in der 2. Reihe eingequetscht mich fragte, ob ich notfalls über die Leiberkette vor mir rettend entweichen könnte. Erst kam der Aufguß mit viel Wasser auf die heißen Steine der Saunaöfen, dann folgte das Eis, damit es schön dampfte, und dann das Fahnenschwingen. Sobald die Fahnen kreisten, prasselten die Hitzetröpfchen auf die schwitzenden Köpfe hernieder. Jetzt war ein Entrinnen so gut wie unmöglich. Ich duckte mich wie bei einem Fliegerangriff. Der Wasserdampf brannte auf der Haut. Mechanisch, um mir ja nichts anmerken zu lassen, klatschte ich mit den anderen rhythmisch mit, was die Fahnenschwinger natürlich noch zusätzlich anfeuerte. Ihre Arbeit muß unsäglich anstrengend gewesen sein, im bekleideten Zustand die schweren Fahnen durch feuchte Rekorde von 90 bis 100 Grad zu wirbeln.
Das faszinierendste an der ganzen Veranstaltung war aber etwas ganz anderes: noch nie war ich so eng wie in einem Sportstadium bei einer Großveranstaltung mit jung und alt, dick und dünn, weiblich und männlich hüllenlos zusammengesessen. Alle waren munter und freundlich, als wenn es das normalste der Welt wäre, miteinander und fast übereinander intimste Körperpflege zu betreiben.
Später sah ich dann zwischen Palmen und Pools, Saunen und Restaurants, einige „Security“-Leute herumgehen, mit Walkytalky am Gürtel, aufmerksam den ganzen Menschendschungel beobachtend. Ja, hier könnte es auch passieren, das unfassbare Blutbad. Wo ist man schon sicher, bei rund 1000, 2000 Menschen gleichzeitig in einem thermalen Dschungel?
Die Therme hatte neben der großen Sauna noch viele Superlative: In einem römischen Bad gab es klassische Musik hinter geschlossenen Vorhängen. In einer Sauna wartete ein Brotteig in der Schüssel, aufzugehen und als Brötchen gebacken zu werden, die dann unter den Saunagästen zwei Mal täglich verteilt wurden. Ein paar Meter weiter gab es bei gedämpftem Licht einen breiten und hohen Wasserfall zum Abkühlen. Vor einem Dampfbad gab es eine Schüssel mit Salz. Hier nahm man sich eine Handvoll, ging ins Dampfbad, rubbelte den ganzen Körper damit ab und schwitzte dann mit Peeling-Effekt. In einer anderen Sauna gab es in einer Ecke ein großes Aquarium mit Karpfen, die mit großen geöffneten Mäulern an der Glasscheibe entlang schwommen und so die Schwitzer unterhielten.
Ich war dann noch in einem Pool mit Lithium, was “anti-aging” wirken soll, und in anderen Grotten mit Schwefel, Sole oder anderen Zusätzen. Eigentlich bin ich fast 2 1/2 Stunden ruhelos von einer Attraktion zur nächsten gegangen, um möglichst alles zu sehen. In einem Pool gab es eine schöne Bar mit Mixgetränken und bequemen Wassersitzen, im Ruhebereich gab es Sandflächen mit inselartigen, großen Doppelbetten, die wie für einen reichen Sultan bestimmt vom Feinsten waren.
Beim Gedanken an die vielen Raffinessen, die ich alle ausprobieren mußte und die ich gar nicht alle erwähnen will, bin ich im Nachhinein noch ganz erschöpft, so anstrengend war die Eroberung der ganzen Landschaft. Und das erstaunlichste ist, dass so eine Einrichtung längst nicht mehr als etwas besonderes gilt. Inzwischen gibt es ganz viele solcher Gebilde. Allein in der Gegend von München gibt es zwei davon. Und für die Jugend gibt es die „Galaxy-Therme“ mit Rutschbahnen, aber was für welche. 2,5 km Gesamtstrecke. Hier ein Link.
Dagegen ist das Münchner Oktoberfest eher eine biedere Nebensache.