Ich glaube, gestern habe ich meinen Meister gefunden: Beim gemütlichen Abendessen zuhause, längst wieder in die Rolle eines braven Zuhause-Bürgers geschlüpft, geht er mir noch nach, der Mann, den wir gerade im Wald getroffen haben: Hartmut, 47 Jahre, ist konsequent und lebt sein Leben radikal:
Mit seinem Fahrrad ist er seit 7 Jahren unterwegs, schläft in Härtefällen bis 10 Grad minus im Freien. Er sagt: „Wenn ich mal bei jemand übernachte, dann bereue ich das oft!“ Bei einer Frau habe er auf der Terrasse geschlafen, wo nebenan ein Hasenstall gestunken habe. Deshalb zieht er eigentlich immer vor, in der Einsamkeit der Natur in seinem Zelt zu übernachten. Daunenschlafsack, Thermorest-Matte, gute Ausrüstung.
Er sucht sich wohl immer ein Gewässer, wo er übernachtet. Morgens um 6 Uhr steht er auf, wäscht das Nötige, badet, dann packt er alles zusammen und weiter geht’s. Sein Fahrrad sieht aus wie ein überladener Muli mit Axt, Topf, Deutschlandfahne, kleinem Plüschbär hier und noch ein größeres Stofftier hinten drauf. Ich sage: „Fehlt nur noch die Blumenvase in Deinem Wohnzimmer!“ Hartmut: „Wieso, die hab ich doch auch!“ und verweist auf eine schmale Röhre in der Nähe des Rücklichts. Er habe nur gerade die Blumen entsorgt.
Als wir ihn gestern an einem hübsch gelegenen Waldsee in der Nähe des Fernpasses in Tirol am Abend treffen, sitzt er gerade entspannt an einer einfachen Holzsitzgruppe mit Tisch und schiebt sich einen relativ blutigen Fleischbissen auf seine Messerklinge aufgespießt in den Mund.
Wir sollen ruhig herkommen, wir, mein Sohn Finn und ich. „Ich rede immer gerne!“
Sein Ofen besteht aus einem einfachen hohlen Stahlviereck, Modell „Hobo“, in dem man ein paar Holzstöckchen zum Brennen reinwirft. Es hat keinen Boden. An den Seiten hat es Öffnungen zur Luftzirkulation. Ein kleines Feuer klimmt noch darin. Jetzt ist es fast ausgebrannt. Hartmut hebt es auf, klappt es an seinen Scharnieren zusammen. Platt wie eine Serviette (aber aus Stahl), läßt es sich leicht verstauen. Auch die Pfanne ist klappbar und ist flach wie ein Brett. Das Feuer ist entsorgt.
Ob er je Angst habe, so allein im Wald? „Nein, wieso?“
Er ist gelernter Physiotherapeut, arbeitet in den warmen Monaten, wenn er Geld braucht, ein paar Stunden am Tag in Deutschland. Seine Kunden finden ihn, sagt er. „Du hast wohl einen sehr guten Ruf in deinem Fach?“ „Muss man, heutzutage!“, sagt er. In den kälteren Monaten zieht er in wärmere Gegenden. Dieses Jahr, es ist der 8. September 2015, ist er auf dem Weg nach Sizilien. In zwei Tagen, rechnet er, ist er über Fern- und Reschenpass in Südtirol, oder weiter südlicher.
Er sieht gesund und kräftig aus. Seine Kleidung, Wanderhose in Tarnfarben und Vliesjacke über Rollkragenpulli wirkt sauber. Er pflegt sich, das sieht man. Seine Wäsche weicht er in einem alten Sektkübel ein. „Das ist meine Waschmaschine“. Ein Problem gibt es nur bei Regenwetter. Einmal habe es 3 Wochen geregnet.
Jetzt muß er aber weiterziehen. Während wir reden, hat er flink alles eingepackt. Alles hat seinen Platz am Fahrrad: es hängt irgendwo, zwischen Tüten und Taschen, wird eigentlich nur irgendwo reingeschoben. Ein umständliches Aus- und Einpacken ist ihm zuwider. „Bei mir hat gar nichts seinen festen Platz!“ sagt er. Es komme immer wieder anders. Die Methode werde ständig verfeinert.
Ich frage, ob ich ihn fotografieren kann. Er läßt es über sicher ergehen. Ob er im Internet sei? Er winkt ab: „Ich bin nicht bekannt!“ Er habe zwar einige Sponsoren, wie die Zeltfirma Hilleberg, die ihn bisweilen mit gutem Material ausstatten, aber mit dem Internet habe er nichts am Hut: „Keine Zeit!“ Ihm täten Menschen leid, die sich dadurch einengen. Seine Freiheit sei ihm das allerwichtigste.
Schon schiebt er das Fahrrad durch die Baumstämme davon. Weg ist er.
„Adieu, Freiheitsmensch!”, denke ich nachdenklich: Ich schlafe eigentlich nur im Zelt, weil ich kurzfristig aus der Zivilisation ausbrechen will und dann um so mehr ein sauberes, angenehmes Bett genieße. Bei einem Menschen wie Hartmut ist es genau umgekehrt: Er wählt die Nacht im Freien, weil er wirklich die Natur vorzieht. Vielleicht wie die echten Indianer damals, die sich nicht anpassen wollten.
Plötzlich komme ich mir so parfümiert und unecht vor, im Vergleich mit Hartmut eher eine „Salon-Indianerin“.
hallo quackquack, mit dem feedback stimmt was nicht. das feld mit vier=4 oder so was. sehr gut geschrieben, ich hab keine großen verbesserungen entdeckt mit dennen ich dir helfen könnte.
finnskel
Vielen lieben Dank, Finnskelitzela!!! Ich habe auch große Schwierigkeiten mit der Site. Irgendwo ist der Wurm drin, wenn ich nur wüßte wo!