Frau Knodel ist eine der letzten Türmerinnen in Deutschland. Historisch gesehen hatten Türmer die Aufgabe, über eine Gemeinde zu wachen und nach Feuer Ausschau zu halten. Was davon in Bad Wimpfen übrig geblieben ist, ist zunächst nur, dass Frau Knodel einen kleinen Obulus von Fremden einkassiert, die auf die Aussichtsetage des sogenannten „Blauen Turm“ am Neckar steigen wollen. Aber von dieser bescheidenen Aufgabe mal abgesehen, lebt Frau Knodel sehr anders in diesem romantischen Neckar-Städtchen. Sie hat keinen Lift und kommt, laut eigener Auskunft, nur rund ein Mal pro Woche ihre 133 Stufen herunter.
17 Jahre lebt sie schon in ihrem kleinen, luftigen Reich. Der Ausblick ist prächtig. Doch das Leben dort oben ist sehr eingeschränkt. Sehr viel Auslauf hat man auf einer Wohnetage, einer Aussichtsetage plus einer kleinen Zwischenetage auf einem Turm ja nicht. Zum Materialtransport gibt es zwar einen kleinen Transportlift, aber der überwindet nur einen Teil der Entfernung und muss immer noch mühsam mit Hand hochgekurbelt werden. Die Wohnung ist behaglich und gut ausgestattet, inklusive Waschmaschine, Trockner, TV, Badewanne, kleine Küche, viele Bücher und viele Erinnnerungsstücke von früheren Türmern, die hier wohnten.
Ich fühlte mich zu ihr hin- bzw hochgezogen, weil ich mir ihr Leben dort oben recht einsam vorstellte. Aber Pustekuchen! Ich wurde von einer sehr geselligen Damen empfangen: 13 Gläser für einen vormittäglichen Sektempfang standen schon bereit! Sie gehe nicht runter, die Leute kämen zu ihr hoch, sagt sie. Ihre Katze macht’s nach. Sie hält auch hier oben aus. Solidarität, oder Alter?
Die über 60jährige will noch 23 Jahre hier oben aushalten, um den Rekord eines anderen Türmers in Deutschland zu brechen. Da kann man nur alles Gute für die Gesundheit wünschen. Besuchenswert ist die lebenslustige Türmerin von Bad Wimpfen auf jeden Fall! Am besten gleich eine Sektflasche mitbringen.