Zwei Greenhorns in Not

HardangerviddaHardangerviddaJoe und ich hatten uns auf der Hardangervidda, einer Hochebene in Norwegen, verlaufen. Eine Brücke auf unserem Pfad war ausgefallen und wir hatten beim Umweg die Orientierung verloren. Damals waren wir noch recht unerfahren und nach vielen Stunden in einem Labyrint aus unzähligen Seen und Bächen, die einem den Weg abschnitten,  wurde uns plötzlich klar, dass wir in Lebensgefahr waren. Endlich hatten wir einen Felsblock gefunden mit 2 Spalten, die einen kleinen Schutz vor dem ewigen Nieselregen boten. Wir kauerten uns jeder in eine Spalte und versuchten zu schlafen. Nach 2 1/2 Stunden hielten wir es vor Kälte nicht mehr aus. Beim Matten-Zusammenrollen sahen wir uns gegenseitig an und erschraken, weil wir beide kreidebleich waren. Wir sagten nichts. Mit einem Mal waren wir so alarmiert, dass die Erschöpfung aus unseren Gliedern verschwand und wir hellwach waren. Noch ein Fehler und unsere gebleichten Knochen würden 10 Jahre später gefunden werden!
marker800Wir waren rund 18 Stunden schon unterwegs, um uns herum Schnee, Wasser, Eis und dazu unaufhörlich Nieselregen. Es war nachts um 3 Uhr. Nichts als nasse Kälte und Einsamkeit. Jetzt war Denken angesagt. Wir entdeckten Rentier-Spuren. Hatten wir nicht am Vortag eine Herde gesehen? „Moment Mal, die haben doch auch keine Schwimmflossen zwischen den Hufen!“ sagten wir uns. Wir folgten den Spuren, die vielleicht irgendwo, irgendwann aus dem Wasserlabyrinth führen würden. Und tatsächlich, so war es. Schon bald führten uns die Rentierspuren auf einen alten Jägerpfad mit ungewöhnlich großen Steinmarkierungen. – Es wäre interessant gewesen, wer diese Route zuerst benutzt hatte: Rentiere oder Jäger?

bessafenster800Wir hatten es geschafft! Von hier war es „nur“ noch 5 Stunden zurück zu unserer Hütte, von der aus wir am Vortag gestartet waren. Alles andere war bedeutungslos: Ob Joe’s kraftlose Hand verletzt war (er hatte sich in der Tat einen Knochen gebrochen), ob das kalte Wasser in unseren Stiefeln bei jedem Schritt hin- und herschwappte und die Füße schon bald taub waren, – Hauptsache, wir waren auf dem richtigen Weg. Wir wußten, wir waren gerettet.
Es war die eindringlichste Erfahrung meines Lebens. Unglaublich, was der Mensch für Reserven mobilisieren kann, wenn es ums Überleben geht! Wir waren 26 Stunden verloren gewesen, davon waren wir 22 1/2 Stunden auf den Beinen.
Am nächsten Tag waren wir erstaunlich ausgeruht und obwohl wir unseren Weg nicht fortsetzen konnten, hatte die Hardangervidda uns schon wieder in ihren Bann gezogen.
Sie ist die größte, zusammenhängende Hochebene in Europa: von Norden nach Süden oder Osten nach Westen dauert es eine gute Woche, bis man sie zu Fuß durchquert hat, ohne dabei eine einzige Straße zu kreuzen. Im Norden gibt es eine Straße, von der man noch ein paar Tage weiter nördlich wandern kann.

hanspfeifeAber zwei Greenhorns wie wir damals hätten sie beinahe unterschätzt. Inzwischen sind wir noch oft kreuz und quer über die Hardangervidda und haben sogar unser erstes Baby mit 42 Windeln bei Wind und Wetter darüber getragen. Auch als unsere Söhne später selber wandern konnten, sind wir immer wieder mit großen Rucksäcken von Hütte zu Hütte gezogen. Auch mit Zelt haben wir es uns in der Einsamkeit eingerichtet.zelt800
dreiwanderer800

 

 

 

 

Die Hardangervidda hat heute einen festen Platz in meinem Herzen. Ich liebe ihre rauhen, ungezähmten Seiten seltener Schöhnheit und bin dankbar, dass sie mich meine inneren Kräfte hat entdecken lassen, von denen ich ohne sie nie etwas erfahren hätte.

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